Neue Facebook-Ads-Regeln

5. Mai 2022

Seit dem Skandal um Cambridge Analytica umgibt den Einsatz von Social Media im Wahlkampf etwas Mythisches. 2016 nutzte das Team von Donald Trump unrechtmässig persönliche Daten von mehr als 87 Millionen Facebook-Nutzenden und erstellte damit für die gesamte Wählerschaft verschiedene Persönlichkeitsprofile, denen das Team danach Werbung ausspielte.

Die Folgen waren verschiedene Anpassungen der Werbemöglichkeiten auf Facebook und die Einführung der Ad-Library. Auch wenn die Kritik am Datenmissbrauch berechtigt ist und die Geschichte einen wahren Kern hat: der Rauch um Cambridge Analytica ist aufgeblasen. So steht in einem Bericht von netzpolitik.org: «Am Ende war es doch halb so wild. Einfach nur datenbasiertes Marketing. Cambridge Analytica, das seien doch bloss aufdringliche Verkäufer von Schlangenöl gewesen, also von einem vermeintlichen Wundermittel ohne Wirkung». Die wirkliche (und legale) Power der Trump-Kampagne zeigt sich, wenn sich der Rauch lichtet: ganz normales Microtargeting, aber auf einem hohen Level. Nach Brad Pascale, dem damaligen digitalen Leiter im Trump-Team , war die Kampagne der Republikaner mit 5'900’000 unterschiedlichen Werbeanzeigen auf Facebook präsent. Das Team von Hillary schaltete hingegen lediglich 66'000 unterschiedliche Anzeigen.

Die Vorteile personalisierter Werbung auf Social Media, die nicht nur das Trump-Team nutzte, sondern auf die auch Schweizer Parteien setzen, liegen auf der Hand:

  • Werbung kann auf bestimmte Nutzergruppen zugeschnitten und gezielt an diese ausgespielt werden. Dadurch wird die Wirkung von Anzeigen erhöht.
  • Da Anzeigen nur an Menschen ausgespielt werden, für die sie potenziell interessant sind, werden Kosten für falsch ausgespielte Werbung eingespart.
  • Durch Interaktion können Daten gesammelt werden, sodass Anzeigen noch stärker verfeinert werden können.

Facebook passt nun die Targeting-Regeln erneut an, sodass ab dem 19. Januar 2022 bestimmte Targeting-Optionen wegfallen, mit denen der Social Media Gigant das Schalten von Werbung bislang stark vereinfachte. Diese neue Regelung verändert politische Kampagnen – auch in der Schweiz. Microtargeting in Bezug zu Themen, Organisationen oder Personen des öffentlichen Lebens, die mit Gesundheit, ethnischer und politischer Zugehörigkeit, Religion oder sexueller Orientierung in Zusammenhang stehen, ist nicht mehr möglich. Heisst zum Beispiel: will die SP alle 1'121'520 Personen erreichen, die im Datenpool von Facebook als Interessenten der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz gelten, kann sie diese nicht mehr gezielt bewerben. Auch Ads für ein Ja zur «Ehe für alle» können nicht mehr so einfach und so gezielt an die LGBTQI+-Community ausgespielt werden.

Mit der neuen Regulierung werden andere Targeting-Massnahmen wichtiger:

  • Community-Aufbau: Custom Audiences, also Personen, denen eine Seite gefällt oder mit einer Seite interagieren (bspw. sich ein Video einer Kampagne ansehen) müssen verstärkt werden.
  • Lookalike Audiences: häufiger Zwillingsgruppen der Custom Audience bilden.
  • Website Custom Audiences: Menschen, die eine Kampagnen-Website besucht haben, intensiver über Re-Targeting bewerben.
  • Location Targeting: Menschen nach ihrem Wohnort gezielter angehen.

Am 17. März 2022 wird das Themen-Targeting final ausgeschaltet.  Alle veralteten Optionen, die noch von einer laufenden Kampagne verwendet werden, werden automatisch entfernt. Kampagnen, die diese Funktion immer noch nutzen, werden automatisch pausiert. Heisst also: Campaignerinnen und Campaigner aufgepasst, massgeschneiderte Social Media Kampagnen und handwerkliches Geschick werden besonders für politische Kampagne wieder wichtiger. Und: Microtargeting ist nicht nur Schall und Rauch amerikanischer Wahlkampfdramen, sondern ein ernstzunehmendes Mittel politischer Arbeit.